YouTuber 'MATTIN', auch bekannt als 'Survival Mattin' neben einem Ballistik-Dummy
In seinem aktuellen Video 'Schutzausrüstung aus dem SUPERMARKT?! Was hält sie aus? | Survival Mattin' (Archivlink) testet der YouTuber MATTIN die beim Discounter Norma erhältlichen ballistischen Stahlplatten durch Beschuss mit verschiedenen Schusswaffen.
Wer schon einmal sportlich geschossen hat und den Begriff Sportordnung kennt, wird sich beim Schauen dieses Videos vielleicht fragen, ob derartige Schießübungen überhaupt zulässig sind.
Diese Frage habe ich mir ebenfalls gestellt und möchte deshalb an dieser Stelle darlegen, warum die Antwort (wie so oft) lautet: Es kommt darauf an.
Wie in den meisten Fällen kann man auch bei dieser Darlegung im § 2 WaffG und den Grundsätzen des Umgangs mit Waffen und Munition beginnen und sich dann stückchenweise vorarbeiten. Grundsätzlich gilt, dass der Umgang mit Waffen nach Anlage 2 Abschnitt 2 WaffG - dazu gehören auch Feuerwaffen - unter Erlaubnisvorbehalt steht (§ 2 Abs. 2 WaffG). Gemäß § 1 Abs. 3 WaffG ist das Schießen mit Waffen eine Form des Umgangs damit.
Von dieser grundsätzlichen Erlaubnispflich gibt es allerdings Ausnahmen. § 12 Abs. 4 Satz 1 WaffG ist eine solche Ausnahme:
"Einer Erlaubnis zum Schießen mit einer Schusswaffe bedarf nicht, wer auf einer Schießstätte (§ 27) schießt."
Das klingt zunächst einmal vielversprechend. Da MATTIN vermutlich über keine waffenrechtlichen Erlaubnisse - weder zum Erwerb und Besitz (Waffenbesitzkarte), noch zum Schießen - verfügt, wäre ihm das Schießen (und übrigens auch das Führen, siehe hierzu § 12 Abs. 3 Nr. 1 WaffG) einer Waffe auf einer nach § 27 zugelassenen Schießstätte gestattet.
Doch ganz so einfach ist es - wer hätte es gedacht? - dann doch nicht. Ein Blick in die Allgemeine Waffengesetz-Verordnung (AWaffV) verrät, dass der Gesetzgeber das Schießen auf einer Schießstätte nur in einem gewissen Rahmen zulässt.
Nach § 9 Abs. 1 AWaffV sind bestimmte Bedingungen erforderlich, damit das Schießen auf einer solchen Schießstätte zulässig ist. Und zwar wenn...
die Person, die zu schießen beabsichtigt, die Berechtigung zum Erwerb und Besitz von Schusswaffen nachweisen kann und das Schießen mit Schusswaffen dieser Art innerhalb des der Berechtigung zugrunde liegenden Bedürfnisses erfolgt,
geschossen wird a) auf der Grundlage einer genehmigten Schießsportordnung, b) im Rahmen von Lehrgängen oder Schießübungen in der Verteidigung mit Schusswaffen (§ 22), c) zur Erlangung der Sachkunde (§ 1 Abs. 1 Nr. 3) oder d) in der jagdlichen Ausbildung, oder
es sich nicht um Schusswaffen und Munition nach § 6 Abs. 1 handelt.
MATTIN schießt mit einer erlaubnispflichtigen Glock 17 Gen 4 für die Patrone 9 x 19 mm mit einem Reflexvisier von Holosun
Man beachte in diesem Zusammenhang das Wörtchen 'oder'. Es handelt sich hier offenbar nicht um eine Auflistung mit einer logischen Und-Verknüpfung. Das deckt sich auch mit der entsprechenden Begründung in Bundesratsdrucksache 415/03 auf den Seiten 46 und 47. Der Gesetzgeber wollte mit den einzelnen Nummern jeweils verschiedene Arten von Fällen abdecken.
Zu Nr. 1 liest man beispielsweise:
"Hierdurch wird gewährleistet, dass Inhaber waffenrechtlicher Besitzerlaubnisse im Rahmen des dem Besitz zugrunde liegenden Bedürfnisses den Gebrauch ihrer Schusswaffe [...] auf Schießstätten üben [...] können."
Ebenfalls unproblematisch ist nach Nr. 2 "naturgemäß" das ohnehin nach dem Waffengesetz zulässige sportliche Schießen und diverse Ausbildungsszenarien, die an dieser Stelle nicht weiter interessieren sollen.
Zu Nr. 3 heißt es in der Drucksache:
"Hier werden die Fälle behandelt, in denen auf kommerziell betriebenen Schießstätten außerhalb der in Nummern 1 und 2 genannten Sachverhalte das Schießen zulässig ist. Zu denken ist hier etwa an Personen, die (noch) keine eigenen Schusswaffen besitzen (können) [...]"
Letzteres könnte durchaus auch auf das Video zutreffen.
Hinzu gesellt sich außerdem noch die Tatsache, dass § 9 Abs. 2 AWaffV die Möglichkeit von Ausnahmegenehmigungen von Absatz 1 für den Schießstättenbetreiber und - in Einzelfällen - auch den Schießstättenbenutzer vorsieht. Ob solche Ausnahmen vorlagen, wird im Video leider nicht erwähnt.
Das Video zeigt einen versehentlichen Kopftreffer am Dummy in Zeitlupe
Von Interesse sind hier also die Fragen:
Handelt es sich in der betrachteten Situation um einen Fall des § 9 Abs. 1 Nr. 3 AWaffV?
Wurden keine Waffen "zweckentfremdet" indem diese in einer Art und Weise gebraucht wurden, die nicht im Zusammenhang mit dem zugrundeliegenden Bedürfnis besteht, auf dessen Grundlage die Waffe genehmigt wurde?
Liegt gegebenenfalls eine Ausnahmegenehmigung nach § 9 Abs. 2 AWaffV für die Schießstätte und/oder den Benutzer vor?
Aber auch: Bewegt sich die Schießstätte im Rahmen ihrer Erlaubnis nach § 27 WaffG? Denn ein sportliches Schießen wäre hier nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz (WaffVwV) zu verneinen:
"Ausschlusskriterium für die Annahme sportlichen Schießens bei Einzelübungen oder im Rahmen eines Parcours ist das Vorliegen eines oder mehrerer der folgenden Elemente:
[...]
Es wird auf sogenannte Mannscheiben oder andere Ziele, die Personen darstellen oder symbolisieren, geschossen."
Disclaimer: Dies ist keine Rechtsberatung.